In Deutsches Ärzteblatt 2006; 103(39): A2553-8
Ultima ratio
Die Autoren wählen die Methode Literaturrecherche.
Dadurch entsteht eine überholte Systematik zur Pathogenese der Narbenhernie.
Die vorgenommene Ausgrenzung der Nahtverfahren ist damit nicht gerechtfertigt.
Das Netzverfahren erhält aus Mangel an Erkenntnissen den Vorzug. Aus
physiologischer und anatomischer Sicht
ist es ultima ratio.
Wegen der uneinheitlichen Systematik in der angebotenen
Literatur ist die Vergleichbarkeit der Studien fraglich. Bleibt noch der publication
bias und das cui bono: Irgendwer stellt die Netze her und will sie
verkaufen.. Die Förderung von Studien und des wissenschaftlichen Austausches
zum Produkt sind elementare Teile des Marketings.
Der Hinweis auf die Problematik der Biokompatibilität von
Biomaterialien fehlt, ist aber unabdingbar für die Diskussion. Biomaterialien
erneuern sich nicht, sie altern. Durch Bewegung entstehen Reibung,
Scherung Biegung bzw. Abrieb und
Bruchstücke. Die Haltbarkeit ist begrenzt. Wie lange ist nachzubeobachten ? Bei
einer 45 jährigen Patientin wird ein Kunststoffnetz im Durchschnitt für 40
Jahre gebraucht. Abrieb vagabundiert durch den gesamten Organismus und
wird in Filterorganen wie Lymphknoten,
Lunge, Leber, (Gehirn?) gespeichert.
Fremdmaterial erzeugen
Wundheilungsstörungen. Ohne Fremdkörper findet die Wundheilung mit der
Narbenreifung einen Endpunkt. Mit Fremdkörper entsteht eine chronisch
granulierende Entzündung ohne Endpunkt. Hierin liegt die eigentliche Funktion
des Netzes. Es ist als
Kraftaufnehmer bedeutungslos. (Andere
Interpretationen sind Rückfälle in mechanistisches Denken). Deshalb ultima ratio,
nicht Methode der Wahl.
Auf der Grundlage einer revidierten Systematik sind die
Indikationen für Nahtverfahren weiter zu stellen. Der hier ex cathedra
verkündete Rückzug auf die Netzverfahren
bedeutet vorschnelle Kapitulation vor den Phänomenen der Wundheilung und lädt
die Damen und Herren in den schwarzen Roben zur Diskussion.
Wiesbaden, den 15.10. 2006
Dr. Johannes Reinmüller
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