Montag, 9. September 2013
SATIRE – Schützenfest
Schützenfeste sind seit dem 17. Jahrhundert Tradition in dem schönen Land Tirol. Beim Scheibenschießen geht es um Können, Ruhm und Ehre. Der beste Schütze wird auf ein Jahr Schützenkönig und hat das Recht, auf die Ehrenscheibe zu schießen. Die DGPRÄC (www.dgpraec.de) ist nicht so traditionsreich, kann aber im übertragenen Sinne auf einige Ehrenscheiben mit Treffer ins Schwarze zurückblicken und an Schützkönigen mangelt es gewiss nicht. Wie jeder weiß, ist das Glück der Schützen wechselhaft und so geht auch mal ein Schuss daneben oder gar nach hinten los. Gegen eigene Ungeschicklichkeit oder Intrigen der Konkurrenz ist kaum einer gefeit. Erinnern wir uns an die Bemühungen zu Zeiten der VDPC (Vorläufer der DGPRÄG) um den Begriff Ästhetik als Alleinstellungsmerkmal für die erlauchte Mitgliedschaft. Fast schon symbolisch waren einige der Protagonisten der Bewegung im Seppelskostüm gekleidet. Dank ihrer Bemühungen konnten sie sich bald die „ästhetische“ Schwanzfeder des Auerhahns zu ihrem „plastisch-chirurgischen“ Gamsbart-Pinsel an den Hut stecken. Sie glaubten damals, sie hätten den sprichwörtlichen Vogel abgeschossen Doch die Natur ist hart und gerecht: wer bunt geschmückt in der Sonne balzt, wird leicht Opfer von Beutegreifern. Hier war es der Fiskus, der aus heiterem Himmel zustieß und die Ahnungslosen schamlos beutelte. Der Schuss war hier im wahrsten Sinne des Wortes als Umsatzsteuer nach hinten losgegangen. Der Preis für das Anhängsel „Ästhetik“ war damit teuer bezahlt. Nun sollte der teure Name wie die Kugel des „Freischütz“ in gleichnamiger Oper seine Zauberkraft in Richtung vermeintlicher Konkurrenz entfalten. So wurde denn angelegt auf einen Kieferchirurgen, der seine Kunst an den Brüsten orthognater Frauen anwandte. Wem das Libretto der Oper geläufig war, konnte den Ausgang ahnen. Die Kugel traf den missgünstigen Schützen selbst und das „Gute“ obsiegte in der richterlichen Feststellung, dass Ästhetik kein Alleinstellungsmerkmal einer Berufgruppe sein kann. Was bisher als juristische Grauzone eventuelle Mitbewerber abschreckte, war nun ein offizieller Freibrief für die selbsternannten Schönheitschirurgen und Zwielichtgestalten aus den Medien. Die Botschaft lautete für sie klar und deutlich: Du darfst. In unseren Zeiten politischer correctness , in denen „Diskriminierung“ als Keule zur Disziplinierung Andersdenkender nur der Presse und einer kleinen Auswahl von radikalen Fanatikern erlaubt ist, kann der Ausgang des Streites nicht wirklich verwunden. Im Ergebnis wurde viel geballert, leider auf die falsche Scheibe. Angesichts solcher Peinlichkeit kam der PIP-Skandal fast wie gerufen. Folgerichtig musste hier agiert werden, um das ruinierte Image aufzupäppeln. Das kann aber nicht gelingen, wenn man sich selbst als laufender Hase über den Schießstand ziehen lässt. Man mag das als gut gemeinte Geste interpretieren, das ändert aber nichts daran, dass man sich auf der falschen Seite befindet, während bereits die Neider und ewig Gestrigen die Stutzen laden und das Feuer freigegeben ist. Mit vorauseilendem Gehorsam und Ausdruck des Bedauerns in Sachen PIP konnte wohl kaum die öffentliche Meinung vorbei an „Bild“ und “Koalition gegen den Schönheitswahn“ gewendet werden. Das Wölkchen Pulverdampf, dass die Meisterschützen der DGPRÄC erzeugt haben, wurde öffentlich kaum wahrgenommen. Damit haben sie nur einer anderen Schützengilde durchschlagkräftige Munition geliefert. Die Feministinnen und Feministen sind endgültig bestätigt in der Auffassung, das Plastische und Ästhetische Chirurgie der Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen dient. Der Klerus kann weiterhin den Eingriff des Menschen in Gottes Schöpfung beklagen, was landläufig so viel heißt wie: „dem Herrgott ins Handwerk pfuschen“. Die Vertreter der gesetzlichen Kassen können mit wachsweichen Argumenten fortfahren, Leistungen zu kürzen und – ohne Schamgefühl beim Blick auf die eigenen Bezüge einschließlich Pensionszusagen - sogenannte Leistungserbringer der Geldgier zu bezichtigen. Auf Augenhöhe, nicht nur in Bezug auf die Einkünfte, können sie mit den Herren Kollegen aus der ärztlichen Selbstverwaltung scheinheilig ethische Floskeln austauschen. Der grüne Tisch für die Böcke im Garten bleibt also reich gedeckt. Die Lügen der Bild-Zeitung werden zu Wahrheiten erklärt, mit denen wir künftig leben müssen. Und so fordern bereits im Vorwahlkampf die Streber und Klassensprecher aus den Regierungsparteien gesetzliche Einschränkungen, also weitere Beschneidungen der ärztlichen Kompetenzen, als gäbe es im Gesundheitswesen keine sonstigen Probleme. Führerschein mit 16, Implantate mit 61 aus Gründen der Symmetrie. Da alle US-amerikanischen Exzesse irgendwann auch den alten Kontinent erreichen, warten wir jetzt gespannt auf den EU-weiten silicone ban. Spätestens dann ist klar, dass der letzte Schuss aus dem Lauf ist. Des Schützens Büchse kommt an den Nagel, der Schießstand bleibt geschlossen und der letzte Schützenkönig hat seines Amtes gewaltete. Auf die Ehrenscheibe schießen in Zukunft nur noch die Vertreter der Gesundheitsbürokratie, wie üblich mit Platzpatronen. Es muss ja nur laut krachen. Und fragt man dereinst nach der DGPRÄC könnte die Antwort im alpenländlichen Dialekt lauten: „De hot´s dabreselt“.
21.07.2012
SATIRE – Der König ist tot, es lebe der König
Es geht zuweilen zu wie bei Hof, im Kleinen wie im Großen. An dieser sprichwörtlichen Erkenntnis hat sich wohl kaum etwas seit den Tagen des Absolutismus in Europa geändert Intrigen, Verurteilungen, Hinrichtungen. Madame Guillotine arbeitet jetzt für Spiegel, Bild und SZ zwar unblutig, doch kaum weniger erfolgreich. Auf der Liste der Delinquenten findet man inzwischen „König Werner“ von der Insel in Lindau. Als Facharzt für Ohren, Nase und Hals hätte er wissen müssen, wie nahe bei dem Ungeheuer Presse die Nase dem Rachen ist. Wer auf ihr herumtanzt, wird schnell verschlungen. Zwar ist des Königs Kopf noch nicht im Korb, doch die Szene wartet voller Spannung auf die Botschaft: „Der König ist tot“ natürlich im übertragenen Sinne, konkret auf die Meldung „Medical ohne Mang“. Und nun erfährt das Theaterstück eine unerwartete Wendung. Der totgesagte König lädt ein nach Bad Schachen zur „Jubiläumstagung 20 Jahre Schönheitschirurgie Lindau“, oder vielleicht auch 200 Jahre, wer kann bei so viel Spektakel noch mitzählen? Sein Fußvolk schnürt schon die Ranzen. Spektabilitäten, Ordinarien, Emeriti und andere Tollitäten aus Nord und Süd putzen die Talare und pudern die Perücken. „Es lebe der König.“ suggeriert der Prospekt zum kommenden Jubiläum. Haben nicht gerade die Präsidenten namhafter Gesellschaften der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie die Eskapaden des strauchelnden Idols der „Schönheitschirurgie“ in einer Art Nachruf bedauert? Was also treibt nun selbst Mitglieder dieser Gesellschaften zum Tanz der Vampire nach Bad Schachen? Wohl kaum der Herdentrieb oder gar Schwarmintelligenz.. Vielleicht ist es eine Neuauflage der Genitalienschau am Scheideweg von Kunst und Pornographie in der Sybille-Mang-Gallery, sinnigerweise im Programm als get-together beworben, vielleicht auch Charity mit Dr. Brigitte Mohn, zur Abwechslung als Gala inszeniert, und Champus gratis. Nicht wirklich. Man findet die Antwort in den philosophischen Schriften des „König Werner“, der die Schwächen seiner Pappenheimer kennt und vor Jahr und Tag bereits diesen die Formel: „Schöner Schein und eitler Wahn“ auf den Leib schrieb. So streben sie offensichtlich nach Ehrungen oder gar nach Mitgliedschaft in der IGÄM, was auch immer sich hinter diesem sinnigen Akronym auf Ä international verbergen mag. Die Domäne IGEM auf E ist schon vergeben an die Interessengemeinschaft der Esel- und Mulizüchter, www.igem.de, siehe auch www.esel.org. Ist das Zufall? Was sonst. Denn statt Eseldung und IAa-Schreien verspricht IGÄM Augenhöhe mit illustren Namen und der angesagten Kleinprominenz, und es winkt vielleicht ein Eintrag im Who is Who der Eitelkeiten als Entschädigung für die Mühsal der Reise. Was sonst könnte die Anstrengungen rechtfertigen? Im Programm ist nichts ausgelassen, was nicht schon quantum satis bei den voran gegangenen Tagungen vorgetragen wurde, Perseverierung als Symptom des „undiszipliniert-autistischen Denkens in der Medizin“[Bleuler]? Zum Beispiel „liquid lifting“, eine Art Hydraulik für Mediziner einschließlich Schnupper-Kurs, Wissenschaft mit drei Kreuzchen, plus plus plus, etwa wie: lieb lieb lieb oder böse böse böse, hands on – brain out und zum Schluss das alles schlagende Argument: 2 Milliarden Chinesen können nicht irren. Da wären schließlich noch die üblichen verdächtigen Goldsponsoren. Sie liften nicht die Majestät sondern die Liquidität am Hofe. Nur eines werden die Teilnehmer vermissen, Samba Pa´Ti, die Vintage-Vorlesung des König Ivo aus Rio: My Way - How I did it, did it, did it …, 50 Jahren Plastische Chirurgie unterm Zuckerhut. Dennoch kein Zweifel, es ist ein Jubiläumsprogramm. Und wandelnd auf den Spuren des Armand Herberger, geküsst von den selben Musen des gleichnamigen Hofes in der Pfalz braust der Ruf des König Werner über n-tv hinaus ins Land: „Ruf an! Du wirst es nicht bereuen“. Ob Einladung zum Fest oder Rückrufaktion in die Werkstatt [Titanic, Nr.3/2012, S.56] wer könnte diesem Charme widerstehen? Der König wie er leibt und lebt.
02.05.2012
Leserbrief an DÄ betreffend Themen der Zeit , Seite 1234, vom 22. Juli 2013
Dem Kommentator geht es um Gleichheit bei der Erlangung medizinischer Versorgung. Als Arzt ist er wohl tätig in einem System, welches sich bewusst als solidarisch bezeichnet. Es ist sogar naheliegend, dass er sich vertraglich an das solidarische deutsche Gesundheitssystem gebunden hat.
Solidarität ist ein missbräuchlich verwendeter Begriff aus
der marxistisch-kommunistischen Ideologie und nicht identisch mit den
Forderungen der französischen Revolution von Gleichheit, Freiheit,
Brüderlichkeit. Solidarität funktioniert immer nur vertikal und zwar
aufsteigend immer dann, wenn Opfer verlangt werden. Bei der Verteilung nach
unten gibt es im besten Falle Priorisierung, im schlimmsten Falle Privilegierung. Solidarische Systeme
verfolgen gerade nicht die Gleichheit der einzelnen Mitglieder sondern ausschließlich
den Erfolg des Systems. Hierin liegt der grundlegende Irrtum des Kommentators
bei der Beurteilung der geschilderten Vorgänge. Wie im Ameisenstaat sind die
systemrelevanten Mitglieder privilegiert. So hat es der Autor auch direkt wahrgenommen.
Damit ist aber nicht etwa eine Staatskrise nachgewiesen sondern zunächst der Erfolg
des solidarischen Gesundheitssystems.
Nun hat die Medizin auch eine ökonomische Perspektive und
aus dieser ist die Frage zu stellen, warum nicht ein Patient, der schnellst
möglich zu seinem Arbeitsplatz drängt, weil für die Erhaltung des Systems (und
all jener in der Notambulanz) relevant, zeitlich bevorzugt behandelt werden
darf, wo doch den Schilderungen nach davon auszugehen ist, dass ein Großteil
jener Elenden im Wartebereich den Kriegsschauplatz mit einer
Arbeitsunfähigkeitbescheinigung wieder verlassen wird.
Angst und Bange macht eher die Darstellung der Notambulanz,
weil sie, sofern zutreffend, schwerwiegende organisatorische und hygienische
Mängel beschreibt. Weiter unterstellt, die Zustände dort seien originalgetreu
wiedergegeben, so wäre vordringlich eine Triage durchzuführen, angelehnt an das
zitierte Weltkriegsszenario, und damit wäre die Gleichbehandlung, etwa nach
dem Zeitpunkt des Eintreffens, eo
ipso perdu. Unverständlich bleibt, weshalb sich der Kommentator schließlich gegen
seine Überzeugung auf Weisung von oben „korrumpieren“ ließ. Wenn überhaupt, so
beginnt hiermit das zu beklagende Elend des Staates.
Leider schweigt der Autor zum Versicherten-Status jener
geheimnisvolle Allegorie der Justitia oder besser der Arroganz, die bevorzugte
Behandlung beanspruchte. Was spricht gegen solidarisch? Beamtenprivilegien!
Dr. Johannes Reinmüller
Chirurg, Plastischer Chirurg
Leserbrief DÄ J. 109, Heft 3, 20.1.2012, Seite C 70 f „Fehlerhafte Brustimplantate“
Sehr geehrte Frau Dr. Hibbeler,
Ihr Artikel über fehlerhafte Brustimplantate lässt sich einreihen in die
zahlreichen apokalyptischen Darstellungen des Themas in der Boulevard-Presse.
Bei nüchterner Betrachtung der bisher bekannten Fakten ist festzuhalten, dass
der Gründer und Geschäftsführer des französischen Unternehmens PIP zur Füllung
von Silikon-Brustimplantaten anstelle des bei der Zulassung der Produkte
beschriebenen Silikongels ein davon abweichendes Material verwendete. Das
Ergebnis einer umfassenden stofflichen Analyse dieses nicht deklarierten
Materials lag den Behörden bereits im September 2010 vor. Spätestens ab
diesem Zeitpunkt war bewiesen, dass von den PIP-Produkten keine toxischen
Substanzen ausgehen und somit keine akute oder langfristige Gefährdung der
Gesundheit der betroffenen Patientinnen anzunehmen ist. Im juristischen
Sprachgebrauch wurde durch die Verwendung eines nicht deklarierten Silikons zur
Herstellung der PIP-Implantate der Tatbestand einer abstrakten Gefährdung
geschaffen. Mehr ist bisher nicht nachgewiesen. Zum besseren Verständnis: Eine
abstrakte Gefährdung entsteht auch dadurch, dass der Arzt bei der hygienischen
Händedesinfektion die vorgeschriebene Zeit - gemessen in Sekunden - nicht
einhält. Alle weiteren Behauptungen sind bisher spekulativ. So wurde im
Zuge der Presse-Kampagnen zum Thema behauptet, dass durch die Hüllen der
„Billig-Implantate“ austretendes Material Krebs erzeugen könne und dass diese
„platzen“ könnten. Mit drastischer Sprache in Bild (siehe Abbildung im Artikel)
und Ton wurden die medizinisch Unbedarften vermeintlich aufgeklärt. Im
Vergleich zu den bisher unbeanstandeten Produkten anderer Hersteller kann das
nicht belegt werden. Alle Produkte dieser Art – wie auch alle anderen
Implantate - sind im Bioorganismus begrenzt haltbar und mit speziellen Risiken
behaftet, unbeschadet der verharmlosenden Äußerungen einiger Anbieter, die ihre
Patienten mit falschen Versprechen täuschen, und es ist gerade diese Spezies,
die die neue Situation mit Hilfe der Medien zur Eigenwerbung und Beförderung
ihres Geschäftes nutzt. Wenn es einen akuten Handlungsbedarf gibt, dann ist das
die Ermahnung der Akteure zur Disziplin. Die inzwischen heraufbeschworene
Empörung der Öffentlichkeit hat die Aufsichtsbehörden unter Aktionszwang
gebracht, so dass diese die vorbeugende Entfernung von PIP-Implantaten
empfahlen. Den Empfehlungen haben sich die Berufsverbände der verschiedenen mit
Mamma-Implantaten befassten Fachrichtungen mit vorauseilendem Gehorsam
angeschlossen. Man ignorierte dabei einerseits die generellen Risiken, die
vergleichbaren Implantaten anderer Hersteller innewohnen und andererseits die
Risiken von Revisionsoperation, bei denen zur Entfernung der texturierten
PIP-Implante überwiegend das subpectorale Stratum eröffnet werden muss. Weniger
wäre hier mehr. Völlig abwegig sind Forderungen nach mehr Kontrollen
(etwa nur bei den Herstellern?), als hätten wir diese nicht schon im Überdruss.
Man denke zurück an die hoch gepriesenen Mamma-Implantate mit Sojaöl-Füllung,
die jeder Produktionskontrolle stand gehalten hätten. Nur leider wurde das Öl
im Organismus vorhersehbar ranzig, so dass Toxine durch die Hüllen freigesetzt
wurden. Ein anonymes Implantatregister könnte bestenfalls
„epidemiologisch“ von Interesse sein. Es wäre sicher nicht Mittel zu einer
verlässlichen Qualitätskontrolle der Produkte. Ein personenbezogenes
Register – etwa wie beim Waffenbesitz – ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes
nicht hinnehmbar. Dennoch eine witzige Perspektive: der Implantat-Ausweis
mutierte zum Waffenschein. Na endlich! Gegen ihre Ausführungen zur
Kostentragung im Falle einer vorbeugenden Implantatentfernung ist einzuwenden,
dass bisher keine Erkrankungen im Sinne des SGB V aufgetreten und solche auch
nicht zu erwarten sind. Daher ist die Frage der Kostenübernahme nach BGB zu
beurteilen. Wie beim Zahnarzt, der ein mangelhaftes Werkstück einsetzt, hat der
Patient Anspruch an den Anwender, d.h. hier an den Operateur. Dieser kann
seinerseits den Anspruch geltend machen beim Lieferanten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Johannes Reinmüller
Chirurg, Plastischer Chirurg
Ein Lehrstück für Priorisierung
Leserbrief zu: „Schönheit hat ihren Preis“, Deutsches Ärzteblatt Jg. 108, Heft 26, 1.Juli 2011, Seite 1234-1238
Heuchelei und argumentatives Herumeiern sind typisch für das
Thema „Schönheitschirurgie, wie die Autoren und deren Interviewpartner unter
Beweis stellen. Formal handelt es sich bei dem Beitrag nolens volens um ein Lehrstück für Priorisierung in
der Medizin mit Beifallskundgebungen breiter Bevölkerungsschichten
einschließlich der Standesvertreter und der Kirchen. Am Anfang steht die
Verbreitung einer Irrlehre: hier die in der Biologie unzulässige Polarisierung
der Begriffe Schönheit und Gesundheit. In Bezug auf einen Bioorganismus ist
gesund auch stets schön und umgekehrt. Wortschöpfungen wie „Schönheitschirurgie“, „Ästhetische Chirurgie“ etc., mit
welchen später die Leistungsausgrenzung begründet wird, sind absichtlich
unpräzise. Mit Begriffen dieser Art werden keine neuen Entitäten geschaffen. Sie
dienen Fachgebietsfremden zur Vortäuschung falscher Tatsachen oder
Berufsverbänden zur Begründung von Alleinvertretungsansprüchen. „Schönheitsoperationen“
werden in allen operativen Fächern durchgeführt. Man werfe einen Blick auf die
unverdächtige Orthopädie. Bei allen Leistungen der „Ästhetischen Medizin“
handelt es sich stets um ärztliche Heilkunst und nicht etwa um Dienstleistungen
wie in der Kosmetik. Daher ist die ärztliche Approbation gefordert. Es wird
richtig festgestellt, dass ärztliche Leistungen einer medizinischen Indikation
bedürfen. In einer verfassten Ordnung braucht es dazu einer legalen Definition
für Gesundheit, und diese hat die Weltgesundheitsorganisation im Jahre 1946
beschlossen und verkündet (1). Damit fällt ein Großteil so genannter
„Schönheitsoperationen“ in das Spektrum medizinisch indizierter Behandlungen.
Obgleich Mitglied der UNO, hat Deutschland diese Definition nicht übernommen.
Faktisch entscheidet hierzulande der Sachbearbeiter, was „gesund“ ist und
bezahlt wird. Bis Ende der 80iger
Jahre wurden von den Krankenkassen regelmäßig Leistungen der heutigen Kategorie
Ästhetik, z.B. bei psychischem Leiden, übernommen. Die Wende leitete das
Bundessozialgerichts mit einem Urteilt 1993 (Az: 1 RK 14/92) ein, wonach psychisches Leid infolge empfundener
körperlicher Mängel nicht chirurgisch sondern psychotherapeutisch zu behandeln
sei. Eingedenk dessen möge jemand nachvollziehbar erklären, weshalb Frauen nach chirurgisch erfolgreicher
Therapie eines Mammakarzinoms nach wie vor eine operative ästhetische Wiederherstellung
als Kassenleistung beanspruchen können. Man erkennt hier die Willkür bei der Interpretation von Urteilen bzw.
bei der Definition von Gesundheit, welche sich auf Entscheidungen bei der
Kostenübernahme überträgt. Eingesparte Mittel können anderweitig, z.B. für
Werbung, ausgeben werden. Das ist Priorisierung: Werbung vor Versorgung. Die so
genannten Leistungserbringer kommen dabei unterm Strich gut weg. Wie im Beitrag
geschildert erhielten sie neue finanzielle Freiräume und haben diese
geschäftsmäßig gestaltet einschließlich der IGEL. Der Schluss, dass in einem
gewinnorientiertem System die Medizin auf der Strecke bliebe, ist unbewiesen, die
Zurechnung eines ursächlich nicht geklärten Todesfalles ist unseriös. Auch der
Begriff „Verbraucherschutz“ ist a priori fehl am Platz und weist auf Defizite
im Verständnis der Materie hin. Im Resultat lässt der Beitrag eine aus
ideologischen Zwängen heraus entstandene, parallele Gesundheitswelt erkennen
als Ersatzvornahme in einem teilweise zweckentfremdeten, solidarisch finanzierten
Gesundheitssystem.
(1) Health
is a state of complete physical, mental, and social well-being, and not merely
the absence of disease or infirmity.
J.Reinmüller,
Chirurg, Plastischer Chirurg
Leserbrief zu Themen der Zeit: Hygiene und öffentliche Gesundheit
Dtsch Arztebl 2010; 107(49): A-2444 / B-2116 / C-2076
27.12. 2010
Cui bono?
Mir fällt auf, dass die Zahl der nosokomialen Infektionen im
Lande mit der Zahl der Hygienefachleute und der Zahl der RKI-Richtlinien
zugenommen hat. Man könnte daraus folgern, dass es einen ursächlichen
Zusammenhang zwischen den öffentlichen Bemühungen und der Ausbreitung der
Seuche gibt. Wie ist die positive Rückkopplung im komplexen System zu
verstehen? Grundsätzlich lassen sich öffentlichen Strukturen durch drei
Gesetzmäßigkeiten hinreichend beschreiben: Murphy´s
law, Peter principal und Parkinsons Gesetz. Murphy´s
law taugt hier nicht zur Erklärung,
eher schon das Peter principal.
Aufgrund jüngster praktischer Erfahrungen mit Gesundheitsbehörden und
Hygienesachverständigen überzeugt mich letztlich Parkinsons Gesetz zur Erklärung dieser Entwicklung. Es beschreibt
einen alt bekannten Aspekt des öffentlich-rechtlichen Systems: primär geht es
um die Verwaltung des Notstandes und damit verbunden um die Ausweitung von
Kompetenzen der öffentlich Bediensteten – in neuerer Zeit flankiert von umsatz-
und körperschaftssteuerträchtiger Lobby-Arbeit der Industrie und spezieller
Dienstleister. Hygiene – wie sie
zur Lösung des Problems erforderlich ist – liegt aber weiterhin buchstäblich in
den Händen des heilkundlich tätigen Arztes und seiner Helfer. Sie erschließt
sich nicht wirklich aus Druckerzeugnissen von Behörden und aus Meinungen ferner
Hygienegutachter, die wissenschaftliches Denken in Algorithmen umzusetzen
versuchen und damit zwangsläufig die oben genannte Staatsraison bedienen. Beispiele
sind die untauglichen Vorschriften zum Umgang mit Kanülen und die
Heiligenscheinhygiene mit den Gummihandschuhen. Wer immerzu abstrakte
Gefährdungen zur Begründung aufwändiger Hygienemaßnahmen bemüht, muss sich
nicht wundern, wenn er konkret scheitert. Langfristig wirkt sich das
inflationär aus und ruiniert die Volkswirtschaft, denn es fehlt an echter Wertschöpfung.
Leserbrief zu Themen der Zeit: Rekonstruktion des Hymens – Zur Ethik eines tabuisierten Eingriffs
Dtsch Arztebl 2009; 106(8): A-340 / B-292 / C-284
17.03.2009
Die Autorinnen streifen in ihrem Artikel das ethische
Problem nur tangential. Wenn die Rehymenisierung eine ethische Dimension
besitzt, dann doch die der Wahrhaftigkeit. Vorgabe falscher Tatsachen als
Grundlage für ein Ehebündnis, allerdings mit vertauschten Geschlechterrollen,
ist hierzulande bekannt aus dem Nibelungenlied: Gunther verschafft sich mit
Hilfe Siegfrieds den Zugang zum Ehebett der Brunhilde mit der bekannte desaströsen
Entwicklung als Folge des Betrugs bzw. des ethischen Versagens. Nach unseren
rechtlichen und wohl auch ethischen Normen ist der Helfer beim Betrug nicht
anders zu bewerten als der Täter. Also ist der helfende Arzt bei der
Wiederherstellung des Hymens als Zeichen der Jungfräulichkeit zum Schein der Helfer
des Betrügers. So einfach könnte das Urteil vom ethischen Standpunkt aus
lauten, gäbe es da nicht noch einen anderen Aspekt, der im Artikel mit der
Wortschöpfung „Geschlechterungerechtigkeit“ anklingt. Als Rechtfertigungsgrund
für Betrug ist dieser Begriff zu schwach und wäre besser durch die Bezeichnung
„Krieg der Geschlechter“ zu ersetzen. Damit wird nämlich die gewaltsame
Unterdrückung der Frau bis hin zur existenziellen Bedrohung durch die archaische
Verhaltensweise des Mannes in den angesprochenen „Kulturkreisen“ zum Ausdruck
gebracht, und der Krieg rechtfertigt eben die Kriegslist. Wollten die
Verfasserinnen des Artikels so weit gehen? Wenn nicht bleibt es vom ethischen
Standpunkt aus bei Grillparzers „Weh dem der lügt“.
Einer flog übers Kuckucksnest
Kommmentar
für Plastische Chirurgie
11.03.2009
Was wird
uns Chirurgen und Plastischen Chirurgen nicht alles aufgetischt ?
Brustzentren, Netzwerke, Kompetenz-Zentren für Adipositas- und metabolische
Chirurgie, und das alles zertifizier und qualitätsgemanaged (siehe
November/Dezember Ausgabe 2008 der CHAZ aus dem Kaden-Verlag). Je kühner
die Wortschöpfungen desto ausladender die zugehörigen Algorithmen zur Erlangung
des Heils. Auch wenn es dem Zeitgeist entspricht, kann solche Botschaft
nicht unkommentiert bleiben:
Veranschaulicht
man sich das Wesen eines Brustzentrums, so erkennt man die gleichen
Strukturen, die seit Beginn der modernen Medizin ein Krankenhaus zu dem machen,
was es ist, eine Organisation von unterschiedlichen Fachbereichen unter einem
Dach. Ähnliches gilt für „Netzwerke“. Jeder verantwortliche Arzt arbeitet in
einem Netzwerk mit anderen Fachkollegen. Nun braucht es dazu neuerdings eines
Zertifikates, vergleichbar dem Segen der alleinseligmachenden Kirche. Selbstverständlich
braucht die interdisziplinäre Zusammenarbeit eine Organisation. Idealerweise
entsteht diese jedoch innerhalb flexibler Struktur im Zuge des
Zusammenwirkens der Beteiligten automatisch und entwickelt sich täglich fort,
nicht im dreijährigen Turnus . Man bezeichnet das als
Synergetik. Die Synergetik ist das zentrale Element zum Verständnis
der Organisation komplexer Systeme, mithin des Lebens. Das Aufoktroyieren
fremder Strukturen auf synergetische Organisationsformen führt zum Systemversagen.
Die griechische Mythologie beschreibt solche Bestrebungen mit dem Bild vom Bett
des Prokrustes, und damit ist das Überstülpen bürokratische Regelwerke über
natürliche Systeme gemeint. Als hätte die Ausübung der Medizin nicht bereits
unter solchem Widersinn zu leiden. Vorauseilender Gehorsam gegenüber
den Gesundheitsideologen und dem sie ungebenden Tross an
"Parasiten" ist unangebracht.
Das Neue
am zertifizierten Brustzentrum mit seinen Leitlinien und Algorithmen besteht
vielleicht darin, dass die Beteiligten, Patienten wie Ärzte, weit
mehr dem Regime entfernter Statistiker und
Qualitätsmanager unterworfen sind als der Expertise des einzelnen Arztes
als Spiritus rector im herkömmlichen Medizinbetrieb. Aus dieser Funktion wird
der Arzt in der Staatsmedizin zunehmend verdrängt. Seinen Status haben
„Halbgötter“ anderer Couleur längst usurpiert. Es heißt in deren Sprachgebrauch
auch nicht mehr „Arzt“ sondern „Leistungserbringer“. Als Knechte der neuen
Herren, der Bewahrer der evidenzbasierten Asche - nicht des Feuers, liefern sie
Daten als Opfersteuer, mit denen jene ihre fragwürdige Majestät
nähren. In solchen Organisationen geraten neue wissenschaftlichen
Erkenntnisse der Grundlagenforschung zwangsläufig in die Warteschleife
oder fallen übermächtigen Algorithmen zum Opfer. Als Erfolgsnachweis
wird sodann jährlich das statistische Überleben verkündet, begleitet vom
Weihrauch der Sponsoren klinischer Studien.
Der
Beweis steht noch aus, dass es bei "Brustzentren" und
"Netzwerken" der neuen Art um besseren
Behandlungsoptionen geht und so könnte man meinen, es verberge
sich mehr eine versteckte Form der
Werbung dahinter. Nur ergibt Werbung für
ein unterfinanziertes,
defizitäres Geschäftsmodell keinen Sinn. Es bleibt also die
Frage, was wird hier wirklich zu Markte getragen? Werbung in eigener
Sache, nicht für die Sache. Das "Who is Who" Prinzip : Man kauft für
teures Geld den tausendseitigen Foliant, nur um sich selbst darin
wiederzufinden. Geradezu grotesk erscheint der Begriff "Brustzentrum",
wenn einzelne Teilnehmer durch die Republik reisen und ihre Kunst in
verschiedenen Lokalitäten ausüben, weil sich z. B. der gynäkologische
Platzhirsch eines Hauses zwar
erfolgreich gegen die Konkurrenz durch einen Plastischen Chirurgen
wehrt und dennoch der Eitelkeit frönen möchte, ein
"Brustzentrum" mit mikrochirurgischen Methoden sein Eigen zu nennen,
ein „Brunstzentrum“ so zu sagen. Also benötigt er einen
"fliegende Operateur" und findet ihn gerade deshalb, weil sich
andernorts die Einsicht vom defizitären Charakter solcher Unternehmungen
bereits niedergeschlagen hat. Damit ist alles zum Thema gesagt.
In der
Adipositas-Chirurgie will man offensichtlich solche barocken
Auswüchse nicht in dieser Deutlichkeit zu Tage treten lassen. Daher sollen
wohl die Kriterien für Adipositas-Chirurgie-Zentren von Seiten der bereits
etablierten eng gefasst werden, beispielsweise
das Erfordernis spezieller Einrichtungsgegenstände. Zu
solchermaßen konkreter Materie wie dem OP-Tisch mit 250 kg
Tragfähigkeit gesellt sich dann noch das Abstrakte: die "metabolische
Chirurgie". Welch eine treffende Bezeichnung! Es klingt wie Biochemie im
Tonnenmaßstab, ist es aber nicht. Unter Metabolismus versteht man die
enzymatische Umwandlung
organischer Stoffe, also Vorgänge im Sub-Nanobereich und mithin unzugänglich
für chirurgische Methoden. "Metabolische
Chirurgie" ist daher ein Paradoxon wie das
"Kuckucksnest", über das wir da wohl gerade fliegen.
Die
Realität der Adipositas-Chirurgie ist eine andere: nämlich Bestrafung
der Unschuldigen, wie es schon Menemius Agrippa 494 v. Chr. den Plebejern von
Rom darlegte. Magen und Dünndarm müssen herhalten, obwohl sie bei dem zu
beklagenden Zustand nur höchst mittelbar beteiligt sind. Streng genommen
handelt es sich bei der Adipositas-Chirurgie um Eingriffe am falschen
Organ. Daran ändern auch die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zu den
metabolischen Folgen und die
Entdeckung immer neuer Enterohormone nichts. Sie unterstreichen nur den
experimentellen Charakter der Maßnahmen und vermitteln den Eindruck, dass
Operationen zur Einschränkung der Nahrungsaufnahme bei Adipösen komplizierte
Unternehmungen seien. Doch die kürzeste bekannte Kausalkette bei
der Adipositas - in der Landwirtschaft als Mast, in der Physik als erster
Hauptsatz der Thermodynamik bekannt - ist bereits lang genug, um an anderer
Stelle zu intervenieren oder auch nicht....
Es bleibt
die Frage: ist die Adipositas-Chirurgie wirklich eine Aufgabe der Chirurgie
oder gar ein gesellschaftliches Bedürfnis, bzw. ist eine flächendeckende
Etablierung von Adipositas-Chirurgie-Zentren erforderlich? Die
Adipositas-Chirurgie ist wohl eher Tribut an die
unantastbare Selbstbestimmung des Patienten ohne Rücksichtnahme auf andere
Rechtsgüter. Aber auch daran kommen Zweifel auf, wenn man das für die Adipositas-Chirurgie
- oder spitzer formuliert - für die "metabolische
Chirurgie" von der Industrie eigens geschaffene Instrumentarium
überblickt. Danach handelt es sich wohl eher um einen Selbstläufer
: im Vertrauen auf die Adipositas-Chirurgie können die Dicken dicker
werden. Da werden sie geholfen. Das Prinzip der Selbstverschuldung
weicht dem der Verpflichtung zur Hilfeleistung mit entsprechender Umkehrung der
legalen Konsequenzen im Falle der Unterlassung. (Hat man insbesondere uns
Plastischen Chirurgen das nicht erst kürzlich umgekehrt eingebläut?) Stellen wir jetzt besser nicht die
Frage nach den absehbaren Folgebehandlungen. Damit sind nicht etwa
Dermolipektomien bzw. „body lifts“ gemeint. Nein, es sind lebenslang
überwachungs- und substitutionsbedürftige Mangelerkrankungen und Reoperationen.
Dennoch, die Rechenknechte haben auch hier schon mal kalkuliert und
volkswirtschaftliche Einsparung in Milliarden-Höhe prognostiziert. Milch- oder
Mischkalkulation? Das ist hier die Frage .Wenn es denn tatsächlich so lohnend
ist, ergibt sich daraus eine wirklich positive Perspektive: wir müssen uns
nicht mehr um die Unterfinanzierung der Brustzentren grämen.
Dr. med.
Johannes Reinmüller
Chirurg,
Plastischer Chirurg
Zu dem Beitrag: Narbenhernie – Pathogenese, Klinik und Therapie
Von Volker Schumpelick, Karsten Junge, Uwe Klinge, Joachim Conze
In Deutsches Ärzteblatt 2006; 103(39): A2553-8
Ultima ratio
Als Folge der von den Autoren angegebenen Methode Literaturrecherche
fallen die Ausführungen zur Pathogenese der Narbenhernie
unsystematisch aus und werden somit den komplexen Abläufen der gestörten
Wundheilung kaum gerecht. Selbst wenn man dies so gelten ließe, rechtfertigt
sich hieraus keinesfalls die vorgenommene Ausgrenzung der Nahtverfahren zur
Therapie. Nur weil man die grundlegenden Vorgänge nicht besser kennt bzw. nicht
besser klassifizieren kann, wird
ein Therapieverfahren angepriesen, welches nicht die Prädikate modern,
physiologisch, anatomiegerecht verdient. Im Gegenteil: bei den Netzverfahren
handelt es sich aus physiologischer
und anatomischer Sicht um
ultima ratio. Diese ist zweifellos manchmal unumgänglich.
Auch die angebotene Literaturübersicht kann das von den
Autoren verbreitete Therapieregime
nicht rechtfertigen. Es fehlt
darin – wiederum bedingt
durch unzureichendes Wissen über
die Pathophysiologie – an eben dieser Systematik und an Vergleichbarkeit der
Studien. Und da gibt es noch den publication bias und das cui bono. Denn
irgendwer stellt die Netze her und will sie verkaufen.. Die Förderung von
Studien und des wissenschaftlichen Austausches zum Produkt sind elementare
Teile des Marketings.
Es wäre zuviel verlangt, im vorgegebenen Rahmen die
Problematik von Biomaterialien im Hinblick auf ihre Biokompatibilität
darzulegen. Der Hinweis darauf ist dennoch unabdingbar für die Diskussion : Bei
den Netzverfahren werden der Technik entliehene Fremdmaterialien in bewegte
Regionen des Bioorganismus eingebracht. Diese Materialien erneuern sich nicht
wie biologisches Gewebe, sondern sie altern. Durch Bewegung entstehen Reibung,
Scherung Biegung bzw. Abrieb und
Bruchstellen. Die Haltbarkeit ist mithin begrenzt. Nun, wie lange denn? Wird
ein Netz bei einer 45 jährigen Patientin implantiert, dann wird es im
Durchschnitt für 40 Jahre gebraucht.
Was lässt sich bei einer Nachbeobachtungszeit von 48 Monaten dazu
aussagen? Welches Schicksal ist dem Abrieb bestimmt? Das wissen wir schon
besser. Er vagabundiert durch den gesamten Organismus und wird in Filterorganen wie Lymphknoten,
Lunge, Leber, (Gehirn?)
gespeichert. Was ist daran physiologisch?
Es macht vielleicht nicht wirklich krank..
Nun gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen der Wundheilung ohne und mit
Fremdkörper: Ohne Fremdkörper findet die Wundheilung in der Resolution einen
Endpunkt. Das Ergebnis ist die reife Narbe. Mit Fremdkörper entsteht eine
chronisch granulierende Entzündung ohne Endpunkt. Hierin liegt möglicherweise
die eigentliche Funktion der alloplastischen Verfahren. Das Netz ist als Kraftaufnehmer von Beginn an
bedeutungslos. (Andere Interpretationen sind Fortsetzung des mechanistischen
Denkens aus den Ursprüngen der Zunft). Es füllt einen Gewebsdefekt. Es stellt
nicht wieder her. Deshalb ultima ratio und nicht Methode der Wahl.
Daraus folgt die umgekehrte Bewertung der Methoden. Die
Indikationen für Nahtverfahren sind sehr viel weiter zu stellen als von den Autoren empfohlen. Es
bedarf hierzu nur einer treffenderen Systematik bei der Beurteilung der
biologischen Gegebenheiten. Der hier ex cathedra verkündete Rückzug auf
die Netzverfahren bedeutet für die
Truppe vorschnelle Kapitulation vor den Phänomenen der Wundheilung und ruft in
der Konsequenz für die Vorhut eine
besondere Bedrohung auf den Plan, die Damen und Herren in den schwarzen Roben.
Wiesbaden, den 15.10. 2006
Dr. Johannes Reinmüller
Ärztestreik ? (19.01.2006)
Wie weit ist es mit diesem Berufsstand gekommen ? Das Titelbild spricht
Bände : Arzt im Hemd, flache Stirn, Trillerpfeife, eine erschütternde Symbolik.
Erschütternder die stupide Kurzformel auf dem Plakat "Geld weg Arzt
weg" ohne Punkt und Komma. Am erschütterndsten die Bildunterschrift
"Ärzte auf der Straße", gemeint ist wohl "...in der Gosse".
Das sind jetzt Ihre Verhandlungspartner, Damen und Herren in den
Schaltstellen des Gesundheitswesens! Nicht die Vorbilder des Arztberufes,
ja nicht einmal deren Abklatsch. Nun sind Sie auf Augenhöhe
mit Ihrem Gegenüber, einer Spezies,die Sie einschätzen
können, früher ÖTV, heute Verdi und MB, manchmal in blau, dann
mal in weiß, eben Ärzte auf der Straße,. Proletariat im marxistischen Sinne.
Genosse Arzt, das Revolutionskommitee hat Dir etwas mitzuteilen.
Das ist das eine, was mir zu Thema Ärzte-Streik einfällt. Und
siehe, da sind sie wieder, die Alt68iger, oder besser gesagt, die Agitatoren
der kommunistische Fraktion im Mantel der 68iger, die den aufklärerischen Geist
dieser Zeit an Pankow verkauft haben. Sie sitzen heute nicht nur in den
Schaltstellen des Gesundheitswesens, sondern bilden auch die flankierenden
Hilfstruppen in den zuständigen Gerichten. Daher Augenhöhe, nicht aber Waffengleichheit.
Nun kann man Wetten abschließen, wer sich hier durchsetzt.
Da es bekanntlich im Diesseits keine Gerechtigkeit gibt, fährt auch die
Hoffnung dahin, dass die politisch Verantwortlichen für die neue Generation
Arzt im Erkrankungsfalle dieser in die Hände fallen. Nein, hierfür ist
vorgesorgt. Der Flugdienst bringt die Damen und Herren in die Uni-Klinik Zürich
zu den letzten Fossilien des freien Arztberufes.
Zum anderen fällt mir auf, dass der Ärzte-Streik aus
objektiver Sicht für beide Seiten der Mühe nicht wert ist, wo
doch das Tal der Tränen fast durchschritten und die Aussichten auf die
Ausbildung tragfähiger und nachhaltiger Strukturen durch autoregulative
Prozesse besser erscheinen denn je.
Ich will diesen Optimismus begründen: Wären die Krankenkassen
verpflichtet, wie ein ordentlicher Kaufmann zu bilanzieren, so müssten sie 2 -
4 Billionen Euro als Verbindlichkeiten heute in die Bilanz einstellen. Ein
Ausgleich dieser Verbindlichkeiten durch Beitragsforderungen führte zu einer
Anhebung der Beitragssätze um mehr als das Doppelte des gegenwärtigen Niveaus
(sinngemäß zitiert nach Prof. Raffelhüschen, mathematisch kalkuliert aus Zahlen
öffentlicher Statistiken). Der Bilanzausgleich über Beitragsforderungen ist
damit nicht praktikabel. Es bleibt nur die Leistungsseite, im Klartext: die
Streichung bisheriger Leistungen im großen Stil. Unverständlicherweise ruft
gerade das den Zorn der Ärzteschaft hervor. Statt dies als Chance zu begreifen,
quittiert man diese banale Notwendigkeit mit der Trillerpfeife. Es ist ja nicht
so, dass diese von der "Zuwendungsliste" der Kassen gestrichenen
Leistungen danach nicht mehr nachgefragt werden. Es ändert sich nur die
Kostenstelle. Dabei dürfte auch schon feststehen, dass die direkte Vergütung
der Leistung vom Bezieher an den Erbringer wesentlich geringere
Reibungsverluste aufweist als im herrschende System (d.h. vom
Zwangsbeitrag durch zweifelhafte Kanäle zum Arzt) üblich.
Zwangsläufig muss ein Streik der Ärzte für mehr Geld im
bestehenden System fruchtlos bleiben, siehe oben. Ein Streik gegen ein
fallendes oder besser stürzendes System ist überflüssig. Fast erscheint es
mir, als ginge es bei den Streiks um reine Demonstration des
Ertragens von Schikanen und schlechter Bezahlung, der Arzt und das ihm eigene Mitleid
nun auf sich selbst gerichtet. Nein, Streikwillige haben nichts Heroisches.
Hier wird schlicht die Fremdbestimmung der zwangs- oder sonst wie organisierten
Ärzteschaft deutlich.
"Ab nach Kassel" müsste die Parole lauten, nicht "Geld
weg Arzt weg". Dieser letzte Grad der Freiheit wird gerade aufs
Spiel gesetzt.
Der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit
lässt weiter auf sich warten. Hierin liegt der Kern des Problems.
Donnerstag, 25. April 2013
A Rose is a Rose is a Rose (Im Namen der Rosen)
Eigentlich war alles in bester Ordnung auf dem Flug LH 502
FRAEZE, so wie immer, und so wie immer wurde ich von dieser merkwürdigen
Melancholie erfasst. Wer kam auf die Idee, in einem so hochtechnischem Gerät
wie einem Flugzeug eine Rose unterzubringen?
„... nur Helios vermag´s
zu sagen, der alles Irdische bescheint“, sagt der Dichter Friedrich Schiller in den Kranichen des Ibikus. „...nur Helios...“, der zufällig auch den Kranich der LH ins
richtige Licht rückt? Nein, es gibt keine Zufälle. Die Rose als Inbegriff
romantischer Empfindungen, oder noch weiter zurück, als Symbol der Liebe. „Nie soll weiter sich in Land Lieb
von Liebe wagen, als sich blühend in der Hand lässt die Rose tragen“ heißt es
im einem deutschen Minnelied. Dieses Problem wurde für die Gäste der First
vorausschauend gelöst. Biology
meets technology. Die Rose kommt in ein Reagenzglas mit ausreichend
Wasser und das System wird mit Plastikkappe dicht geschlossen. Vermutlich
enthält das Rosenwasser noch Chemikalien zur Verhinderung von Keimwachstum,
hygienisch einwandfrei und von der Gesundheitsbehörde zertifiziert.
Die Rose lässt sich somit blühend zu allen Destination der LH tragen und
vermutlich auch wieder zurück – fall das der Frequentflyer
bzw. Frequentlover für erforderlich hält.. Mein
technischer Verstand ist mit dieser Lösung dennoch nicht zufriedengestellt:
Rosenstiele im Wasser? Total obsolet. Ich würde Polyacrylathydrogel
nehmen angereichert mit allem, was das hochgezüchtete – vermutlich genetisch
manipulierte - Gewächs braucht.
Scherz lass nach!
Wie bekommt man vier Elefanten in einen VW-Käfer? Zwei
hinten ,zwei vorn. Die Lösung ist einfach und logisch, dennoch abwegig - ein
Scherz, was sonst. In der Antwort werden die Größenordnungen missachtet und
damit willkürlich inkompatible Ebenen der Logik unzulässig zusammengeführt.
Damit entpuppt sich die Eingangsfrage eindeutig als Scherz. So einfach ist es
nicht immer. Denn das Phänomen der unzulässigen Zusammenführung verschiedener
Ebenen ist weit verbreitet, insbesondere in Politik und Wissenschaft. Fazit : A
richtig, B richtig, Verknüpfung falsch.
Ein Beispiel aus „Plastische Chirurgie“ Heft 3, Jahrgang
2007, Seite 173-177: Wie stabilisiert man eingesunkene Nasolabialfalten? Man nimmt ein partikuliertes
Hyaluronsäure-Gel und bildet in der Dermis ein dreidimensionales Gerüst. Man kann darüber
streiten, ob „Fishbone“ diese Technik ähnlich der
Schienenverlegung bei der Eisenbahn richtig beschreibt. Wenn man jedoch davon
ausgeht, dass die Dermis der Wangen kaum stärker ist
als 1mm, der Durchmesser der 27G Nadel 0,5 mm und der Nadelschliff 1,4 mm
misst, ist man doch über den wahren Charakter eines derartigen Beitrages höchst
verunsichert – bei all den anderen Ungereimtheiten und windschiefen Analogien.
Wie die Leserzuschrift in der folgenden Ausgabe beweist, wurde der Beitrag wohl
nicht durchgehend als Scherz verstanden. Fazit : A falsch, B falsch,
Verknüpfung richtig.
Ein weiteres Beispiel aus „Plastische Chirurgie“ Dezember
2007, Seite 211: Wie kann man ein face-lifting
vermeiden? Durch abschreckende Aufklärung nur selten. Die Lösung lautet: durch
„liquid lifting“. Das klingt schon von der Wortwahl
her verdächtig scherzhaft, etwa wie „Verdünnisierung“. Die Antwort im Beitrag
wird auf vermeintlich neue Erkenntnisse zu einem altbekannten Stoff, der Poly-L-Milchsäure gestützt, vielleicht besser bekannt unter
der Bezeichnung Poly-L-Lactat. Das liegt dann nicht
mehr so weit entfernt von der Lactat-Azidose, und diese
ist nicht gerade etwas zum Wohlfühlen. Im Ernst, das Lactat
schafft zumindest eines der Probleme des polymeren Derivates. Poly-L-Lactat zerfällt nämlich im Gewebe zu Monomeren und
die reagieren stark sauer. Ein Blick über die Schulter zum dermatologischen
Kollegen belehrt, dass Lactat, sprich: Milchsäure, als alpha-Hydroxy-Säure
auch zum peelen der Epidermis geeignet ist. Daraus
soll sich nun nach neuer Erkenntnis erschließen, dass Poly-L-Milchsäure
auch zum dauerhaften Tiefenpeeling im Subcutangewebe geeignet ist? Wenn das kein Scherz ist, dann
ist es zumindest die Botschaft vom neuen Kollagen: liquid lifting
als partielle Embriogenese. Da sind wir doch der
Wiedergeburt schon sehr nahe. Fazit: A falsch, B falsch, Verknüpfung falsch.
Dr. med. Johannes Reinmüller
English for Medicals
Englisch für Mediziner. Das klingt so wie English for knowers:
Englisch für Kenner:
You can say you to me. Equal goes it loose. I can not more. I break together... Es ist nicht einfach, sich im Sprachenwirrwarr
der anglophilen Medizin und ihrer eingedeutschten
Fachbegriffe zurechtzufinden. Der Griff zum Wörterbuch hilft nur selten weiter.
Versuchen wir es mit credit points,
dann erhalten wir als Ergebnis Glaubenspunkte. An die Wirksamkeit dieser Punkte muss man glauben. Die Kraft des
Glaubens kann bekanntermaßen Berge versetzen. Kraft ist englisch Power, so wie Albano und Romina Power. Wer erinnert sich nicht gerne an „Felicita“, zu Deutsch: Glück, englisch: luck.
Man könnte also auch von power points sprechen,
Kraftpunkte. Herr gib mir die Kraft... die Fortbildung – oder besser das meeting - zu
überstehen. Der Begriff power point ist allerdings schon anderweitig im
Gebrauch. Apropos Felicita - lucky
points sind diejenigen, die man trotz Abwesenheit
erhält, wenn man nur ein bisschen Schwein hat. Da sitze ich nun in einem
solchen meeting zur Erlangung von echten also true credit points
und schaue auf den screen mit einem power point chart... und lese unten links in der Ecke „Mang medical one“. Was stimmt hier
nicht? Im Deutschen wird „ohne“ mit „h“ geschrieben. Es fehlt also das „h“ im
kleinen Wörtchen „one“. „Mang medical
ohne“. das ergibt keinen Sinn. Vielleicht ist nur die Reihenfolge der Worte
vertauscht wie bei Schröder-Köpf bzw. Köpf-Schröder? Oder sollte es tatsächlich das englische
Wort one, also zu deutsch
Eins bedeuten? Wofür steht dann die Eins in Verbindung mit Mang medical? Es bleibt nur eine Erklärung: Es ist der Grad der Erschütterung der
Plastischen Welt durch den Einschlag des ENT-Planeten
Mang auf der nach oben offenen Richter-Skala. Da haben wir richtig Schwein
gehabt, Felicita!
Dr. med. Johannes Reinmüller
Dr. med. Johannes Reinmüller
Kennen Sie Siletti?
Zurück zum Bewährten könnte die neue Erkenntnis beim
Lippenaufbau sein. Nichts bereitet dem Fachmann mehr Kopfzerbrechen und führt
in den Klatschspalten zu mehr Kontroversen als die Lippenvergrößerung. Nicht
resorbierbares Material hat in der Lippe eine außergewöhnlich hohe Rate an
Granulombildung auf lange Sicht . Man kennt die Fälle von Entstellungen aus den
Gazetten und von den Kongressen. Chiara Ohoven war mit ein Grund für die
Gründung der Koalition gegen den Schönheitswahn. Resorbierbare Implantate
(Filler) verschwinden aus den Lippenweichteilen im Handumdrehen. Die
schmerzhafte Prozedur der Implantation muss zu oft wiederholt werden. Ein
dauerhaftes Implantat ist gefragt, welches einfach in LA implantiert und ebenso
einfach wieder entfernt werden kann. Man erinnert sich an GoreTex Nudeln nach
Art der Maccaroni für die Lippe. Es war der Schritt in die richtige Richtung.
Bleiben wir einfach bei italienischen Teigwaren. Wie wär´s mit Spaghetti aus
Silikonelastomer bzw. Silikongummi: Nennen wir sie doch Siletti: drehrunde
Fäden aus eben diesem hervorragend verträglichen, stabilen Biomaterial.
Silikonelastomer ist bekannt aus der Herzschrittmacher-Technik oder vom
Hydrocephalus shunt. Das Material erreicht Standzeiten im Bioorganismus von 40
Jahren und mehr. Siletti werden mit glatter Oberfläche hergestellt. Damit
wachsen sie nicht im Gewebe fest.
Schönheitsoperationen – Wunsch und Wirklichkeit?
Aus der Sicht des Plastischen Chirurgen fällt der Umgang mit
dem Begriff „Schönheitsoperation“ schwer. Vergleichbar dem Begriff
„Lebensqualität“ kann sich jeder aussuchen, was er darunter verstehen möchte.
Für die einen sind sogenannte „Schönheitsoperation“ unnötige Eingriffe in die
Natur des Menschen, für die anderen geht es dabei um Herstellung bzw.
Wiederherstellung lebenswürdiger Bedingungen.
Die Schönheit liegt nach Goethe im Auge des Betrachters. Sie
bedarf also zur Entfaltung keiner chirurgischen Hilfe. Und damit wird enthüllt,
dass es bei den sogenannten Schönheitsoperationen gar nicht um Schönheit im
allgemeinen Sinne geht sondern um das Selbstwertgefühl, welches jeder Mensch
aus unterschiedlichen Quellen bezieht und welches letztendlich für unser
seelisches und damit auch körperliches Befinden so wichtig ist.
Wer von uns, mitten im Leben, ist schon mit sich vollkommen
zufrieden? Also arbeiten wir doch alle an uns und hegen offene und geheime Wünsche
und werden damit empfänglich für die Versuchungen und Verlockungen dieser Welt.
Nicht anders sind unsere Wünsche nach Gewinnung oder Erhaltung einer in unseren
eigenen Augen vollkommenen, harmonischen Erscheinung einzuordnen. Doch je
größer der Wunsch desto näher die Illusion und die Enttäuschung. Das
Missverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist die eigentliche Gefahr, in
die wir uns begeben – nicht nur in der sogenannten Schönheitschirurgie sondern
in allen Bereichen des Lebens.
Wer Enttäuschungen vermeiden will, muss brauchbare
Strategien entwickeln, um der Wirklichkeit näher zu kommen. Zum Thema
„Schönheitsoperationen“ empfehle ich Ihnen folgende goldene Regeln : .
..glauben Sie keiner Werbung, ...sehen Sie sich mit Ihrem Problem als einmalig
in der Welt an, ...fragen Sie nur Fachärzte der operativen Fächer,
.....beurteilen Sie nicht die Innenarchitektur sondern das Wissen des Arzt,
...lassen Sie sich zuerst desillusionieren, ....und teuer muss nicht immer
gleich gut sein.
Corrections of Nasolabial folds with a Monophasic Filler: Superior Efficacy and tolerability
Interview with Dr. Johannes Reinmüller, plastic surgeon in
Wiesbaden, principal investigator of the study
What are the most important results of this study?
In my opinion there are predominantly three points of interest: Most importantly we know that this monophasic filler is a safe product. As the correction of wrinkles by injection of HA-based fillers is an optional medical procedure and not a live-saving treatment safety is a really important issue. In treatments the like first and foremoste we have to follow the motto: no harm.
A second really important result is that this treatment has a proven efficacy. In many other products we do not have any clinical studies. Here we know we have a reliable product.
Last but not least a comparison with a previously undertaken study[1] onh two competing dermal filler showed that the cohesive monophasic HA-bsaed filler is superior to the biphasic product and to collagen preparations.
Do you have an explanation for the long lasting treatment effect ?
It is certainly not the tale about the isovolumetric degradation. At the moment we do have only poor knowledge about the biodegradation of dermal fillers in-vivo. Most of our data are results from in-vitro-studies. Therefore I can only give you my personal explaination which is in part a hypothesis and not established knowledge. Injecting any kind of filler material you have to take into account that part of it, especially of products containing particles, solid or gel-like, is migrating. Strictly speaking this is a loss of material at the site of implantation and not biodegradation in the sense of enzymatic breakdown or lysis. As a result of migration or dislocation resp. the total amount of filler substance at the injection site is reduced during the entire observation time.
The remainder undergoes biodegradation, if possible. How this is accomplished on a molecular basis is not well understood in most biodegradable filler materials. My personal opinion in the case of HA and its derivatives is, that the material is degraded by macrophages and cells of the immune system or RHS wether inside the cells or at the cell surface.
Is the comparison between the present study with the monophasic
filler and the study by Narins et al. valid? There are no head-to head
comparisons between different hyaluronic acid fillers?
Case Report:
Correction of Nasolabial folds with a monophasic filler
What are the most important results of this study?
In my opinion there are predominantly three points of interest: Most importantly we know that this monophasic filler is a safe product. As the correction of wrinkles by injection of HA-based fillers is an optional medical procedure and not a live-saving treatment safety is a really important issue. In treatments the like first and foremoste we have to follow the motto: no harm.
A second really important result is that this treatment has a proven efficacy. In many other products we do not have any clinical studies. Here we know we have a reliable product.
Last but not least a comparison with a previously undertaken study[1] onh two competing dermal filler showed that the cohesive monophasic HA-bsaed filler is superior to the biphasic product and to collagen preparations.
Do you have an explanation for the long lasting treatment effect ?
It is certainly not the tale about the isovolumetric degradation. At the moment we do have only poor knowledge about the biodegradation of dermal fillers in-vivo. Most of our data are results from in-vitro-studies. Therefore I can only give you my personal explaination which is in part a hypothesis and not established knowledge. Injecting any kind of filler material you have to take into account that part of it, especially of products containing particles, solid or gel-like, is migrating. Strictly speaking this is a loss of material at the site of implantation and not biodegradation in the sense of enzymatic breakdown or lysis. As a result of migration or dislocation resp. the total amount of filler substance at the injection site is reduced during the entire observation time.
The remainder undergoes biodegradation, if possible. How this is accomplished on a molecular basis is not well understood in most biodegradable filler materials. My personal opinion in the case of HA and its derivatives is, that the material is degraded by macrophages and cells of the immune system or RHS wether inside the cells or at the cell surface.
My explanation
for the longevity of the cohesive monophasic product is, that the material is
anchored in the tissue. As even finest fissures are filled with the cohesive
material it is indented in the the tissue. Migration is less probable and we
do exspect more of the injected material keeping its position instead of
filling distant organs as a consequence of migration.
In the most used
particulated biphasic fillers the medium size of the particle is 700 microns.
This is the mean value but, a Gaussian distribution provided, there are lots of
much smaller particles who are phagocytized when smaller than 20 microns or
shifted to the lymph vessels and lymph nodes by the mimic motions in the face.
Once in the lymph vessels they are true rolling stones. May be they fill the
lung but not the face and fortunately not on a long term.Additional we have
gravitation forces acting on the particles which bias the migration down and
backwards. Therefore I think that enhancement of duration of the therapeutic
effect of the monophasic cohesive gel is the real benefit of the CPM-technology
– an appropriate injection technique provided. On the base of case reports and
histological findings this is my personal explaination for the superior results
of the CPM-material.
It certainly is.
This comparison is valid, because the design of the present study is very
similar to the study by Narins and coworkers. There was not only the same
primary endpoint but also the patients and the nasolabial folds at baseline
were similar. The only meaningful difference between these studies was the
fact, that in the preceeding study two touch-up treatments were allowed.
If you take a
close look at the results of both studies, you notice that the monophasic
filler is superior to the other. With a single treatment we achieved a better
effect compared to the competing products, where more than a third of patients
got touch-up-treatments
How was the tolerability in these studies?
You have to
discriminate between side effects due to the product itsself and side effects
due to the implantation procedure, e.g. bleeding, swelling or erythema. But
even if you take this into account, the monophasic filler was better tolerated.
There were more side-effects immediately after implantation in the preceeding
study on a statistical base. Most patients in the study assessed the
tolerability as good or very good.
Case Report:
Correction of Nasolabial folds with a monophasic filler
A 42 year old
woman presented to the clinic with the wish for the correction of her
nasolabial folds. The otherwise healthy patient had a history of Nickel
allergy.
Before treatment
the investigator rated her nasolabial-folds to be SRS-grade 4 (Fig). A topical
preparation of a local anaesthetic (EmlaTM)) was applied to the
injection site before implantation to minimize pain during the procedure. The
investigator injected the material via Stratum Technique.
Immediately after
the procedure investigator and patients assessed that the folds had “very much
improved”. Fig. 2 shows a marked improvement of the nasolabial folds The
investigator rated the SRS-Score 2 after treatment.
The patient came
to a control visit after 15 days. All further presentations on day 29, 82, 166
and 251 showed that the treatment effect was still evident, even 166 (Fig.3 )
and 251 (Fig. 4) days after the initial treatment. At each visit the SRS-value
was rated 2 by the investigator.
On every visit
investigator and patient had the opinion the folds had much improved
The treatment was
also judged by a blinded reviewer according to photo-documentations. In his
opinion, the SRS-values at baseline were even 5. On the other visits he rated
them to be 2, which comes to an improvement in the SRS-scale of 3 points.
Noticeable was
the long filling state of the nasolabial fold. The investigator judged the
filling state to be 100% even at day 166 after implantation and 92% at the end
of the follow-up treatment period.
Tolerability was
fairly good. There were only mild side effects related to the injection like
erythema, swelling and haematoma which resolved within a week.
The patient seeks
no further treatment at the moment, because she is very content with the
present situation.
This case report
shows that in selected patients the treatment effect of a monophasic filler on
the basis of hyaluronic acid can last up to nine month.
Figures:
Fig. 6: Portrait Dr. Reinmüller
Fig. 6: Portrait Dr. Reinmüller
Fig. 7 :
Patient before treatment : Although the volunteer is only 42 years of age,
there are pronounced and deep nasolabialfolds.
Fig. 7: Patient
immediately after treatment. Folds are fare less evident.
Fig. 8. Patient
on day 166: Filling state was still rated 100% after this time.
Fig. 9 Patient on
day 251: The treatment effect is still evident. The patient sees no need for a
further treatment at the moment.
[1] Rhoda S. Narins, et al. A randomized
doubleblind multicenter comparison of the efficacy and tolerability of Restylane
versus Zyplast for the correction of the nasolabial folds. Dermatol Surg
2003 ; 29 :588-595
König Werner und Die Insel der Glückseligen
Die
Gerichtsakte XY liegt vor mir auf dem Schreibtisch. Ich bin zum Gutachter
bestellt worden, weil Sculptra , vormals New Fill, bei Frau F. (51) sechs Monate nach der Anwendung
hässliche, sichtbare Granulome im Gesicht erzeugt
hatte. Der Arzt, ein Plastischer Chirurg, hätte das wissen und bei der
Aufklärung erwähnen müssen, sagt der Klagevertreter. Also lautet der
gerichtliche Beweisbeschluss : War es zum Zeitpunkt der Anwendung in
Fachkreisen bekannt, dass New Fill solches bewirkt ?
Ich
frage mich, was sind Fachkreise und befinde mich bereits mitten in einer
Erkenntniskrise. Wer spritzt nicht alles irgendwelches Zeug irgendwo hin? Gibt
es höhere Weihen, die die Mitgliedschaft im Fachkreis ausmachen? Die Facharztbezeichnung
Plastischer Chirurg könnte so etwas sein. Halt, da gibt es auch ausschließlich
rekonstruktiv tätige Kollegen. Wohin mit diesen, wohin mit dem HNO, dem
Dermatologen oder gar dem nicht fachärztlichen Kollegen, der sich gerade mal so
durchIGELt? Ich beschließe, den Fachkreis so zu
definieren, dass ein jeder, der sich zur Durchführung der hier
streitgegenständlichen Handlung berufen fühlt, dem Fachkreis zuzurechnen ist.
Also zählt der Beklagte zweifellos zum Fachkreis.
Wie
kommt ein solches Mitglied des Fachkreises an die notwendigen Informationen, um
im Behandlungsfall erfolgreich zu sein und Schaden von seinem Patienten zu
wenden? Der Beklagte im Fall XY verweist zurecht auf die Angaben im
Beipackzettel, denn diese sind bei CE-zertifizierten
Produkten sozusagen amtlich.
Zusammenfassung 3. Konsensuskonferenz Dermal Filler am 15.11.2008 in Wiesbaden
Insgesamt trafen sich ca. 40 Ärztinnen und Ärzte aus
verschiedenen Fachrichtungen und Vertreter der Industrie in Wiesbaden. Die
Initiatoren der Konferenz waren wie 2 Jahren zuvor Frau Marianne Wolters und
Herr Herrmann Lampe aus Frankfurt sowie Herr Johannes Reinmüller aus Wiesbaden.
Die Konferenz wurde von der Landesärztekammer Hessen mit 8 Punkten als
Fortbildungsveranstaltung bedacht.
Herr Lampe begrüßte die Teilnehmer unter Hinweis auf die
Tradition der Veranstaltung als objektive Plattform für den Austausch von
gesichertem Wissen, für die Diskussion offener Fragen und den Dialog zwischen
Anwendern und Industrie. Er wies auf die Finanzierung der Konferenz aus ausschließlich
eigenen Mitteln der Initiatoren hin ohne Inanspruchnahme von Sponsorengeldern,
um ein höchst mögliches Maß an Unabhängigkeit zu schaffen.
In dem einleitenden Referat stellt Frau Wolters die
Veränderung auf dem Fillermarkt seit der letzten
Konsensuskonferenz 2006 dar. Es wurden eine Reihe von Produkten z.T. aus
firmeninternen Gründen (z.B.Hylaform) aus dem Markt
genommen, z.T. aber auch aus Gründen einer unzureichenden Sicherheit (z.B. Derma-life, Derma-deep). Neue
Produkte wie das kollagen-basierte Evolence, die Hyaluronsäure-basierten Produkte Prevelle,
Puragen, Puragen plus, Belotero intens, der Massenfiller Macrolane, das Agarose-basierte Produkt easy-agarose
und ein synthetisches Produkt Laresse seien
hinzugekommen. Sie berichtete weiter über neue Erkenntnisse aus Studien und
rief die Anwender dazu auf, nur Produkte zu verwenden, zu denen es gesicherte
Erkenntnisse aus Studien gibt. Sie erwähnte dabei auch die gestiegen
Bereitschaft der Industrie, Trainingsveranstaltungen auf hohem Niveau
anzubieten und empfahl potentiellen Anwendern die Teilnahme. Sie schloss mit
dem Leitsatz: Nicht alles Neue ist gut, aber alles Gute war einmal neu.
Still confused
Sirs,
A still
increasing number of publications in the scientific press is dealing with
saftety and efficacy of dermal fillers. As in the article of P.J. Nicolau they
mostly report individual experiences and
personel opinions and not a systematic approach to the problems and
the claim to more true scientific studies does not indicate the direction or aim of
such studies.
Up to date
we can find a reasonable systematic approach to the physical and chemical properties
of the implant matierials. But more important are the reaction of the
bioorganism and our knowledge so far is limited( ).
Material
characteristics and the biological
reactions of the bioorganism are two entities. They are not necessarily linked
in a linear way as pretended by the head line of the article cited above. That
can be easily derived by the fact that it is no possible to draw conclusions
from the type of tissue reaction or granuloma to the initiating material.
The meaning
of this observation is that the reaction of the bioorganism to a defined
material is multifold and dependend of very individual reactions of the
biorganism. Everybody is generating his own reactions towards a defined implant
material. This is a different approach to the problem of biocompatibility of
foreign materials. In case of a non-degradable material the problem is still
more complicated by the fact that the reactions of the bioorganism are not
constant during life time. The ability to tolerate a material may change in the
course of time. Observations like that are paralleled by experiences with
breast augmentation implants and orthopedic devices with respect to early and
late failure. This might also be the background for adverse reactions following
injections in a previoulsly treated area.
Das Wurstgift
Nichts ist so schlecht, dass man ihm nicht doch etwas Gutes abgewinnen könnte.
Römische Sentenz
Kein Fernsehabend ohne Krimi und Gewaltverbrechen. Die
Mordwerkzeuge sind Äxte, Messer, Stich- und Schusswaffen, Keulen, Seidentücher
und dergleichen je nach Täterprofil. Das Opfer weist klare Zeichen der
Gewaltanwendung auf : kein Zweifel, es handelt sich um Mord. So lieben wir es.
Es gibt jedoch noch eine ganz andere Kategorie von Gewaltverbrechen, die im
Fernsehen fast immer zu kurz kommen, weil sie als solche nicht ins Auge fallen.
Gemeint ist der heimtückischste aller Angriffe auf Leben und Gesundheit,
der Giftmord. Der gewaltsame Tod kann
nur durch Ausschluss eines natürlichen Ablebens, durch Zweifel und oft nur mit moderner Analytik, Forensik,
Kriminologie durch indirekte Nachweise bewiesen werden.
Die Palette der historischen Betrachtung ist groß:
Pharaonen, Päpste, Tyrannen, Kaiser, Könige.... Aber auch dem gemeinen Volk ist
die Heimtücke nicht fremd: der Giftmord von Worms 1956, E 605 in der Praline
wird dem naschenden Opfer zum Verhängnis. Der Tod kommt in Minuten. Keine
Hilfe. Kein Tatort. Der Mörder abwesend. Nur das Motiv verrät ihn oder sie.
Eine Steigerung der Perfidie in unseren Tagen: der high-tech Giftmord von
London am russischen Exilagenten Aleksandr Litwinenko, eine winzige Menge
Polonium 210 vielleicht im Tee des Opfers. Der Tod kommt schleichend, nach
Wochen des Leidens. Alle Rettungsversuche sind vergeblich. Die Mächtigen der
Geschichte suchten dem Giftanschlag durch den Vorkoster zu entgehen. Was nutzt
beim Polonium 210 der Vorkoster. Er stürbe den gleichen qualvollen Tod Wochen
nach der Teestunde.
Die Wiederentdeckung der Erbsünde
Leserbrief zu :
Aufklärung und Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen
von Markus Parzeller, Maren Wenk, Barbara Zedler, Markus
Rothschild
Deutsches Ärzteblatt Jg. 104, Heft 9, 2.März 2007, Seite
A576 – A584
Die Druckerschwärze des o.g. Beitrages ist noch nicht
richtig getrocknet, da ist er durch neue Rechtsprechung und durch neue Gesetze
bereits obsolet, z.B durch das Prinzip der Selbstverschuldens im neuen
Wettbewerbstärkungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG)..
Keine Fortbildung wird schneller wertlos als die zum Thema Rechtsprechung in
der Medizin. Die Einhaltung der empfohlenen Leitlinien bei der Aufklärung
schützt nicht vor Haftungsansprüchen, und das hat nicht etwa seinen Grund in
der banalen Verwechslung des hilfesuchenden Patienten mit dem schützenswerten
Verbraucher, nein, die Ursachen liegen tiefer: es sind Verwerfungen im
politischen System.
Es heißt: Vor Gericht und auf hoher See sei man in Gottes
Hand. Mit Gottvertrauen könnte man das ertragen. Doch erstens gibt Gott den
Richtern im höchsten Amt immer ein Parteibuch, aber nicht immer den notwendigen
Abstand zur Politik, und zweitens geht es schon lange nicht mehr um
Menschenrechte im Sinne des Grundgesetzes und erst recht nicht um Selbstbestimmung.
Vielmehr geht es um Staatsraison, um politischen Willen und um
gesellschaftlichen Umbau zu Lasten der Selbstbestimmung. Die zunehmende
Einpferchung der Bürger in Versicherungspflichten ist Indiz genug. Wer hätte
schon aus den Sprüchen der 68iger prophezeihen können, dass „unter den
Talaren“ von heute „der Muff“ von 500 Jahren, nämlich der reine
Machiavellismus, zum Vorschein käme. So wird „Aufklärung“ als Anliegen nur
vorgegeben, letztendlich aber zur Durchsetzung anderer Ziele missbraucht. Da die
Jurisprudenz bei Arzthaftungsprozessen ehedem im Urteil durch harte Fakten
bzw. das Gutachten eines Sachverständigen gebunden war, hat sie durch die
Entdeckung des Aufklärungsmangels nun das höchstmögliche Maß an
Entscheidungsfreiheit erreicht. Im Zweifel kann nun am Sachverständigen vorbei
entschieden werden, denn an der Aufklärung lässt sich immer flicken – ein
glänzender Schachzug : Schwarz schlägt Weiß. Damit ist der Arzt vor Gericht
nicht in Gottes Hand sondern in der Fuchtel der „Dritten Gewalt“. Diese
Entwicklung ist noch nicht am Ende: die Entdeckung des
Selbstverschuldensprinzips für die Krankenversicherung, so zusagen die
Wiederentdeckung der Erbsünde, eröffnet neue Horizonte. Wehe den Ärzten, die
Behandlungen und Beratungen gleich welcher Art durchführen und nicht darüber
aufklären! Die Krankenversicherung könnte Selbstverschulden vermuten und die
Übernahme von Folgekosten ablehnen. Sie haften nicht nur für die materiellen
Folgen gegenüber dem Patienten, Sie riskieren auch den Schutz durch die
Haftpflichtversicherung und werden so ruiniert. So gesehen ist das Thema
Aufklärung nichts anderes als ein weiterer Kriegsschauplatz für die
systemgewollte fortschreitende Demontage eines freien Berufes: der Arzt nicht
Leistungserbringer sondern Kostenverursacher, ohne Arzt keine Kosten, Arzt im
Griff, Kosten im Griff, so die einfache Logik. Sehen wir es noch von der rein
praktischen Seite : auch der umfassend aufgeklärte Patient wird nicht wirklich
Einblick in die Materie gewinnen und selbstbestimmt entscheiden können, denn es
fehlen ihm sechs Jahre Studium und sechs Jahre Weiterbildung. Was bringt unter
diesen Umständen eine 3 Punkte cme Fortbildung zum Thema? 3 Punkte Entlastung
in einem parallelen Zwangssystem, das sich die Ärzteschaft hat aufoktroyiert
lassen. So flechten wir mit an den Kälberstricken, mit dem man uns gängelt, und
nennen es wie zum Hohn Selbstverwaltung.
Dr.med. Johannes Reinmüller
Laßt Euch nicht verNASHAn!
Leserbrief zu : „Dermalfiller regen scheinbar Kollagenproduktion an“
aesthetic TRIBUNE, Ausgabe 2, März 2007, Seite 10
Anscheinend oder „scheinbar“ – wie es in Ihrem o.g. Bericht
heißt – haben Wissenschaftler herausgefunden, dass NASHA die Kollagenproduktion
anregt. Es wird also nahegelegt, dass nach einer Behandlung mit diesem
Dermalfiller in der Haut ein Plus an Kollagen entsteht. Selbst wenn es so wäre,
bleibt die Frage, wer möchte das überhaupt. Bei allen klassischen Straffungsoperationen
wird das durch den Alterungsprozess angehäufte Kollagen in Form der
überschüssigen Haut weggeschnitten und nicht etwa zugeführt. Seien wir uns doch
darüber im Klaren, dass die Altersgruppen, für die Dermalfiller gedacht sind,
nicht an Hautatrophie sondern an Hautüberschuss leiden und somit Kollagen im
Übermaß vorhanden ist Neokollagenese – auch wenn in zahlreichen
Werbebroschüren immer wieder hochgelobt – ist kein Behandlungsziel. Das Ziel
einer Behandlung der alternden Haut sollte die Reduktion von überschüssigem
Kollagen sein – und dies scheint es anscheinend auch zu geben. Eigene
Beobachtungen mit Hylaform lassen darauf schließen, dass die Haut beim Abbau
des Mittels schrumpft (1). Nun leidet die Ihrem Artikel zugrundeliegende Arbeit
(2) an gravierenden systematischen Fehlern, sodass die Schlussfolgerung bei
allem Respekt vor der sauberen Methodik so nicht gezogen werden kann.. Was in
der Untersuchung tatsächlich nachgewiesen wird, ist die Entstehung von
Granulomen um die NASHA Partikel. Dies ist aber keineswegs neu. Als Leiter der
ersten klinischen Studie mit dem als NASHA bekannten Filler 1994 kann ich diese
Granulombildungstendenz nur bestätigen. Die Erklärung für dieses Phänomen
könnte in der Zusammensetzung des Produktes liegen, welches laut
Studienprotokoll damals außer streptogener Hyaluronsäure auch pflanzliche
Bestandteile enthielt. Die Studienergebnisse wurden vom Hersteller bzw. vom
Studiensponsor bis heute nicht veröffentlicht. Scheinbar will da jemand etwas
nicht wahr haben.
(1) Reinmüller J.
Aesthetic Surgery Journal 2003, 23, 309-311
(2) Wang F. et al, Arch.
Dermatol. 2007, 143, 155-163
Dr.med. Johannes Reinmüller
Fishbone
Stellungnahme zu: Marwan Nuwayhid
Fishbone : Eine neue
Unterspritzungstechnik zur Behandlung tiefer Nasolabialfalten
mit Hyaluronsäure
Plastische Chirurgie 3/2007 S.173 - 177
Abgesehen von Zweifeln an der Neuheit bzw. an der
Patentfähigkeit des Fishbone-Verfahrens bedarf der
Beitrag in verschiedener Hinsicht der Kommentierung, um der Legendenbildung
zu historischen aber heute mehr oder
weniger obsoleten Behandlungsweisen
entgegenzutreten.
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